Die Welt der Kinder
Frau Osberghaus, in Ihrem Verlag erscheinen „Die Kack- wurstfabrik“ und das „Hotel zum Oberstübchen“ und jetzt „Burg Herzberg“. Wie erklären Sie sich den Erfolg dieser Reihe, die ohne Tabu und ganz direkt Sachwissen an Kinder vermittelt? Für Kacke interessieren sich die Kinder immer! Aber wichtig ist hier auch, dass das Thema jeweils in ein spannendes Ge- bäude-Setting transportiert wird, wenn z. B. der Darm zur Fa- brik wird. Und die witzigen Illustrationen, auf denen man ganz viele weitere kleine Geschichten entdecken kann, machen auch ganz viel aus. Sie engagieren sich als Verlegerin auch in den Bereichen Bilderbuch und Kindergeschichten für mehr Realitätsnähe. Was verstehen Sie darunter? Kinder wollen in Geschichten ihr eigenes, gegenwärtiges Leben erkennen. Dann können sie sich mit den Held:innen identifizieren und etwas davon in ihren Alltag mitnehmen. Toll ist auch, wenn solche Geschichten in den Familienalltag ein- sickern, etwa durch Zitate. Das geht mit alltagsnahen Büchern besonders gut. Ich persönlich glaube, dass all die fantastischen Reihen ganz klar ihre Berechtigung haben – aber daneben muss es unbedingt Literatur für Kinder geben, die ihr echtes Leben spiegelt. Und die ist viel schwieriger zu schreiben und zu finden. Sie kann aber für Kinder ungemein wichtig sein, lebensverändernd. Warum sollten Eltern sich für solche Kinderbücher ent- scheiden? Weil Eltern doch ein Interesse daran haben, dass Kinder Bücher lesen, die sie richtig angehen. Solche Bücher bieten überdies auch Familiengesprächsstoff, sie weiten den Hori- zont, sie beschäftigen auch die Großen – damit hat man im Lesen etwas Gemeinsames. Viele Kinder bewegen sich gerne in den Fantasiewelten, die ihnen Bücher eröffnen. Glauben Sie, dass sie Bücher mit Realitätsnähe genauso gerne lesen würden? Auf jeden Fall! Man muss ihnen nur von klein auf genug Literaturvielfalt anbieten, damit sie sich nicht selbst durch Gewohnheit in ihren Vorlieben einschränken. Ihr Verlag wagt sich an schwierige Themen. Sie selbst haben ein Kinderbuch über das Leben im Gefängnis geschrieben. Was hat Sie dazu bewegt? Die Idee kam von einer Gefängnispsychologin, die etwas für die Kinder der Gefangenen brauchte. Aber wir im Verlag wussten sofort: Das interessiert uns alle, gerade auch die Kinder – nicht nur die Betroffenen. Die Rückmeldungen haben das auch bestätigt. Sie möchten Bücher machen, über die man sich aufregen und streiten kann. Können Sie uns das näher erklären? Wir reden doch alle gerne über Bücher. Das geht am besten, wenn sie aufregende Dinge enthalten und nicht langweilig sind. Es ist in meinen Augen gut, wenn Bücher etwas in uns anknipsen, in Schwingung bringen. Dazu müssen sie manch- mal überraschend oder pieksig sein. „Wenn Bücher etwas in uns anknipsen, in Schwingung bringen.“ Monika Osberghaus, die Verlegerin von Klett Kinderbuch, setzt sich für Kinderbücher mit Realitätsnähe ein. Exklusiv-Interview mit Monika Osberghaus © Susan Heyder, Lichtbildnerei Leipzig MONIKA OSBERGHAUS arbeitete als Buchhändlerin, studierte Kinderliteratur und betreute jahrelang die Kinderbuchseiten der FAZ. Heute ist sie die Verlegerin von Klett Kinderbuch und schreibt zusammen mit Thomas Engel- hardt als Meyer/Lehmann/Schulze die Bücher rund um die „Wilden Zwerge“ und die „Wilden Schulzwerge“. 40
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