Die Welt der Kinder

Exklusiv-Interview mit Nicola Schmidt „Mit den richtigen Fragen lernen Kinder zu denken, statt einfach brav zu sein.“ Die Gründerin des artgerecht-Projektes Nicola Schmidt plädiert dafür, Kinderstreit nicht zu schlichten, sondern den Kindern kluge Fragen zu stellen. So lernen sie, sich in andere einzufühlen und Konflikte mit Geschwistern oder anderen Kindern konstruktiv zu lösen. Mit „Mein artgerecht-Geschwisterbuch“ und „Streit! Was nun?“ haben Sie zum ersten Mal für Kinder geschrieben. Was hat Sie dazu inspiriert? Meine Eltern sagen oft: „Ich weiß theoretisch, wie es geht, aber wie setzt man es praktisch um?“ In Bilderbüchern erleben Eltern gemeinsam mit ihren Kindern, wie sie Konfliktsituationen be- wältigen können. Was genau sagt man in der Situation? Wie reagieren die Kinder? Während sich im Geschwisterbuch zwei Eichhörnchen-Kinder um eine Tasse und die Aufmerksamkeit der Mama zanken, geraten im Bilderbuch „Streit! Und nun?“ vier befreundete Tierkinder auf dem Spielplatz aneinander. Warum haben Sie gerade die Themen Streit und Geschwis- terkonflikte gewählt? Viele Eltern sind genervt von Streit, wissen aber nicht, dass sich das Problem eigentlich leicht lösen lässt. Es ist ein Am- menmärchen, dass Kinder das „unter sich lösen“. Ihr Gehirn ist noch nicht ausgewachsen. Aber mit den richtigen Fragen lernen sie durch uns. Im Buch finden sie durch die Hilfe der Eltern für typische Spielplatz-Situationen Lösungen, die lustig sind und die sie selbst erdacht haben. Warum finden Sie es so wichtig, dass Kinder lernen, ihren Streit selbst zu lösen? Es ist ein häufiger Irrtum: Wenn wir Eltern ein Machtwort sprechen, funktioniert es nur sehr kurz, genau bis zu dem Moment, bis wir das Zimmer verlassen. Dann ist ein Kind sauer und lässt es am anderen aus und es gilt wieder das Recht des Stärkeren. Das ist nicht das, wozu wir unsere Kinder in einer Demokratie erziehen wollen. Was viele Eltern nicht wissen: Schon Kleinkinder können Probleme lösen. Wie können Eltern ihren Kindern dabei helfen, ihre Konflikte eigenständig zu lösen? Indem sie Fragen stellen, statt Antworten vorzugeben. Wenn beispielsweise ein Kind ein anderes von der Schaukel schubst, weisen wir es behutsam auf sein Verhalten hin: Ich habe gesehen, was passiert ist. Was ist das, was du willst?Was brauchst du?Was wolltest du erreichen? Hast du das erreicht, auch wenn das andere Kind jetzt weint?Was könntest du stattdessen tun? Nur wenn wir Kinder ermutigen, selbst zu denken, lernen sie, kluge Lösungen zu finden – und es geht viel schneller, als man denkt! Erinnern Sie sich an einen Streit aus Ihrer Kindheit, der Ihnen bis heute im Kopf geblieben ist, und warum? Ich habe mich mit meiner besten Freundin in meinem Leben genau ein einziges Mal gestritten, das war schrecklich. Ich weiß es noch wie heute und wir haben beide geweint. Es war ein großes Missverständnis und als wir es aufgelöst hatten, haben wir uns versprochen, nie wieder so zu streiten. Seitdem lösen wir unsere Konflikte tatsächlich immer, indemwir versuchen, uns in die andere hineinzuversetzen und zu verstehen, was sie braucht. Das klappt seit nunmehr 40 Jahren wunderbar: Wir leiten heute gemeinsam das artgerecht-Projekt und hatten nie wieder Streit. „Mit klugen Fragen Konflikte nachhaltig lösen und Empathie bei Kindern fördern.“ „Viele Eltern sind genervt von Streit, wissen aber nicht, dass sich das Problem eigentlich leicht lösen lässt.“ 16

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